Eröffnung (5. Februar)
„Nierentisch und Petticoat“ - unter diesem Titel lädt der Heimat- und Geschichtsverein Münster zu einem Ausflug in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein. Am Sonntag war Eröffnung der neuen Ausstellung, zu der zahlreiche Gäste eingeladen und viele interessierte Personen gekommen sind. Von 14 Uhr bis 17 Uhr waren die Ausstellungsräume in der Mühle an der Gersprenz geöffnet. In dieser Zeit haben etwas mehr als 100 Personen einen ersten Blick auf die Ausstellungsstücke geworfen, viele von ihnen genossen anschließend einen Kaffee und gönnten sich das eine oder andere Stück Kuchen, nach Rezepten aus den 50er Jahren von Vereinsmitgliedern frisch gebacken.Zur Eröffnung waren Mitglieder aller in der Gemeindeversammlung Münster vertretenen Parteien gekommen, natürlich auch Angehörige befreundeter Vereine und andere Interessierte.
In seiner Begrüßung nannte Vereinsvorsitzender Kai Herd Gründe, weshalb gerade die 50er Jahre ausgewählt wurden. „Die Fünfziger waren für Münster prägend“, führte er aus. Nicht nur wegen der politischen Veränderungen, die mit der Nachkriegszeit einhergingen, auch wegen der Veränderungen im Alltag der Menschen in Münster. Es galt, Trümmer und Zerstörungen zu beseitigen und Wohnraum für eine große Zahl Heimatvertriebener zu schaffen. Zwischen den Jahren 1946 und 1961 wuchs die Einwohnerzahl von 4200 auf über 5800 an. Nicht nur Wohnraum wurde benötigt, auch Arbeitsplätze, Schulen und Kindergartenplätze waren erforderlich.
Münster, bis dahin überwiegend von Katholiken bewohnt, hatte eine Kirche. Diese wurde auch von den wenigen Protestanten im Ort für deren Gottesdienste mitgenutzt, aber der Zuzug von vielen Neubürgern, die dem evangelischen Glauben folgten, erforderte den Bau einer eigenen evangelischen Kirche.
Der durch das Wirtschaftswunder allmählich wachsende Wohlstand brachte moderne Möbel, Elektrogeräte für den Haushalt und erste Fernsehgeräte in die relativ kleinen Wohneinheiten. Die waren großflächig angelegt, aber nicht, um gepflegte Rasenflächen rund ums Haus zu haben. Kartoffel- und Gemüseanbau war angesagt, um sich selbst kostengünstig mit dem täglichen Bedarf an Lebensmitteln versorgen zu können. Lohn konnte in zahlreichen Handwerks- und Gewerbebetrieben vor Ort erworben werden, denn auch Handel und Industrie waren im Aufwuchs. Manch einer konnte sich schon auch ein Auto leisten, zu dieser Zeit meist ein Käfer aus heimischer Produktion, keine ausländischen Modelle aus aller Welt.
Über all dies berichten Tafeln und Statistiken im Eingangsbereich des Ausstellungsraums. Geht man hinein, passiert man eine Küche aus damaliger Zeit, erreicht „das Wohnzimmer mit Musiktruhe“, kann einen Blick in die Schneiderstube der Hausfrau werfen, denn in dieser Zeit wurde noch Einiges selbst genäht. Schulbücher und Ausgehkleidung der damaligen Zeit ergänzen den Einblick in Vergangenes. Bei vielen Besuchern hatte sich ein Schmunzeln eingeschlichen, man konnte deutlich sehen, wie Erinnerungen an längst vergangene Tage und Erlebnisse wach wurden.
Das Zusammentragen der Stücke, die in der Ausstellung gezeigt werden, war manchmal mühsam. Viele Helfer hat es im Vorfeld der Ausstellung gegeben, viele Stücke wurden gebracht oder abgeholt. Margarete Elster dankte als Leiterin des Vorbereitungsteams all den unterstützenden Händen aus der Bevölkerung, den Mitarbeiterinnen des Gemeindearchivs für die Möglichkeiten, nach Unterlagen zu suchen. „War eine frostige Angelegenheit“ bemerkte Margarete Elster, „denn das Archiv der Gemeinde hat keine Heizung, und die Materialsuche fand überwiegend im Winter statt.“ Auch einige der Asylbewerber, die Münster zurzeit beherbergt, griffen helfend ein wenn es darum ging, schwere Gegenstände in den Ausstellungsraum zu bringen. Als besonders erwähnenswert hob Margarete Elster das Ehepaar Schmidt aus Alsbach-Hähnlein hervor, denn Thilo Schmidt brachte den im „Wohnzimmer“ der Ausstellung zu sehenden dreiteiligen Nierentisch persönlich vorbei und wohnte mit seiner Frau der Ausstellungseröffnung bei. Ein Gast aus dem benachbarten Dieburg sorgte für jubelnden Beifall der Anwesenden: Maria Bauer, Vorsitzende des Heimatvereins Dieburg, hatte zur Eröffnung ein zeittypisches Geschenk mitgebracht. Sie hatte, wo auch immer gefunden, eine originale, ungeöffnete Flasche mit „Blauer Nacht“ überreicht. „Blaue Nacht“ war ein in den 50er Jahren beliebtes Getränk, von der damals bekannten Likörfabrik Georg Dehn in Münster produziert und dem bekannten Curaçao ähnelnd.
Völlig ohne Alkohol begleitete Julia Fenn die Ausstellungseröffnung musikalisch mit Titeln aus den 50er Jahren. Sie spielte auf dem Saxophon „Marina“ von Rocco Granata, auch Rock fehlte nicht: „Rock around the Clock“ war angesagt und gespielt.
Nicht „rund um die Uhr“, aber jeden ersten Sonntag im Monat kann die Ausstellung von 14 Uhr bis 17 Uhr besichtigt werden. Um in die Räume des Museums in der Bahnhofstrasse 48, 64839 Münster zu gelangen, muss eine Eintrittskarte für 1 € erworben werden.
P. Panknin